Um das Jahr 1390 hatten Kaufleute und Schiffer aus der Kirchengemeinde St. Marien eine Vereinigung gebildet, die als direkte Vorgängerin des Schiffergelags angesehen werden kann.
So ist auf der ersten Seite des Gildebuches der St.Marien Kaufmannsgilde von 1420 über deren Gründung zu lesen wie sich 1390 auf einem „Fastelabend“ ein Pastor und 5 Kaufleute und Schiffer zum Umtrunk trafen und am Ende einen Überschuss von 6 Schilling „lübsch“ hatten. Da fragte einer:
„ Wat wille jy don van de 6 sh lübsch?“ Do zede Herr Hagedorne (Pastor):
„ Wi wille dar een Lich maken laten, dat dor berne (brenne) vor Marien Bilde an dem Lych-Hus
(Leichenhaus) vor Unser Leven Vronen
Kerken. Dat sylve Bilde steyt unser Tyd an der Capellen der Coeplüde dar de
Broderschop gantz von opgenommen is. Item so begründe sick de Selschop to merede, dat se hebben wolden Olderlüde unde enen Wilkore.
Dor gingen ock de vorbenomede unde koren Olderllüde unde makeden enen Wilkore. (Schrae,Satzung)
So etablierte sich bei einem Umtrunk die Gilde der Kaufleute und Schiffer samt Satzung und Älterleuten.
1579 erwarben die „vereinigten Kaufleute und Schiffer“ von der Stadt ein eigenes Gesellschaftshaus am nördlichen Ausgang der alten Stadtmauer in Höhe der heutigen Neuen Straße, das den Namen „Compagnie“ erhielt.
1602 beschloss der Rat der Stadt, eine Stadtwage zu erbauen. Dieses Gebäude wurde das neue Versammlungshaus des Schiffergelags und erhielt den Namen „Nie Kompagnie“, das heutige Kompagnietor am Ende der nach ihm benannten Straße. Die „Olde Compagnie“ verlor damit ihre Bedeutung. Sie ging wieder in den Besitz der Stadt über. Man darf davon ausgehen, dass Kaufmanns-Kompagnie und Schiffergelag an den Baukosten der „Nie Kompagnie“ zu einem nicht unerheblichen Teil beteiligt waren.
Überhand nehmender Luxus und Übermut der Kaufleute und sich breit machende Adelige und Offiziere der Schloßherrschaft auf Duburg führten zur Trennung von Kaufleuten und Schiffern im Jahre 1580.
1578 wird noch von der "gemeinsamen Gilde der Kaufleute und Schiffer" berichtet. In der ersten Hälfte des Jahres 1581 gab es in Flensburg bereits die selbständige "Compagnie der Schiffer". Später wurde diese zum "Schiffergelag" (Gelage = Zusammenkunft )
Die Gilde hatte mannigfache Verpflichtungen. Einerseits sozialer Art, z. B. Verstorbene ordentlich zu beerdigen, Witwen und Waisen zu unterstützen, gestrandeten Seeleuten eine Wegzehrung zu geben, oder sie aus osmanischer Sklaverei freizukaufen usw.
Andererseits öffentlich rechtlicher Art: Dem Schiffergelag waren bestimmte Aufgaben im Bereich des Flensburger Hafens zugewiesen worden, für deren Erledigung es gewisse Vorrechte erhalten hatte. Die höchsten Amtsträger des Gelags, die Älterleute, wurden vom Rat der Stadt bestimmt. Sie regelten zusammen mit dem Waage- und Brückenmeister die Einziehung des Pfahlgeldes von den im Hafen überwinternden Schiffen und führten es an die Stadtkassse ab, taxierten die Größe der in Flensburg erbauten Schiffe, vermaßen den Flensburger Hafen nach Länge und Tiefe und beaufsichtigten wiederholt Baggerarbeiten im Hafen. Die vier Älterleute bildeten in Flensburg ein Seegericht, für das das königliche Seerecht maßgebend war. Es tagte auf der Kompagnie und darf als Vorgänger des Flensburger Seeamtes angesehen werden.
Das Schiffergelag nahm zwei weitere Aufgaben im Flensburger Hafen wahr, für das das Gelag das alleinige Ausübungsrecht hatte: Bürgermeister und Rat hatten ihm das Privileg für das Be- und Entladen von Schiffen mit Ballast und für Einrichtungen zur Schiffsreparatur im Flensburger Hafen erteilt. Der Sand als Ballast, ohne den die Segelschifffahrt nicht möglich war, wurde seit 1581 aus dem zum Hospital zum heiligen Geist gehörigen Sandberg von St. Jürgen, dem heutigen Ballastberg, genommen. An das Hospital entrichteten die Schiffer dafür alljährlich zu Fastnacht 12 Mark lübsch.
Das zweite Privileg betraf die Einrichtung für Schiffsreparaturen. Die Schiffe wurden auf einer Kielbank auf die Seite gelegt, der Boden mit Kratzeisen von Muscheln und Algenbewuchs befreit, repariert, kalfatert, und mit einem neuen Anstrich versehen. Diese Arbeiten wurden von sogenannten Flotten, d.h. flachen, breiten Booten, auch Prahme genannt, aus vorgenommen. Dafür unterhielt das Schiffergelag in Höhe des Herrenstalls einen Flotthafen, der 1830 insgesamt 11 Flotten umfasste. Neben dem städtischen Kran, nach Plänen des Schiffergelags errichtet und dessen Einnahmen durch das Gelag vollständig dem „städtischen Waisenhaus am Hafen“ zuflossen, stand das Pechhaus des Schiffergelags, in dem Pechgrapen und -kellen, Kratzeisen, Teeröfen, Teerquaste, Hanf und Werg zum Kalfatern aufbewahrt wurden.
Mitte des 19. Jahrhunderts verlor das Schiffergelag seine Sonderrechte. Auf Antrag von Bürgermeister und Rat der Stadt Flensburg hob König Christian VIII im Jahre 1845 die Privilegien auf, damit war die enge Bindung zwischen Schiffergelag und Stadt zerbrochen und die große Zeit des Schiffergelags beendet. Die Besitztümer wurden in den nachfolgenden Jahren verkauft, ebenfalls ein Großteil des Silberschatzes.
1846 beschlossen die Mitglieder einstimmig, das Gelag unter seinem alten Namen als Privat-Gesellschaft weiterzuführen. Die erarbeiteten Statuten bauten auf der überkommenen Tradition auf. Als Zweck der Gesellschaft wurde zu einem angesehen, den Mitgliedern Gelegenheit zu geben, „sich diejenige gesellige Erheiterung zu verschaffen, welche dieselben bey ihrem gefahr- und mühevollen Beruf so sehr bedürfen“, zum anderen sollte eine Witwenversorgungs- und eine Unterstützungskasse für Mitglieder des Vereins und des Seefahrerstandes gegründet werden. Diese Stiftungskasse wurde 1857 genehmigt, und noch heute werden aus den Zinsen alljährlich vor Weihnachten Bedürftige Seefahrerangehörige dieser Stadt mit einem Weihnachtsgeld unterstützt.
In der nachfolgenden Zeit, u.a. brachten 2 Weltkriege schwerste Verluste für die deutsche Handelsschifffahrt, waren die Ausrichtung der Gelagsfeste Höhepunkte des gesellschaftlichen Lebens in Flensburg, das Gelag selber ein bedeutendes maritimes Forum für die Flensburger Schifffahrt. Als Anerkennung für jahrhundertelanges Wirken für diese verlieh 1967 der damalige Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Lemke, dem Flensburger Schiffergelag die Gildekette.
Am 12. März 2005 feierte das Schiffergelag sein 425-jähriges Bestehen mit einem Gelagsfest in großem Rahmen im Saal des Dt. Hauses. Im Haupthaus des Flensburger Schifffahrtsmuseums ist der Schatz und anderes Eigentum des Gelags ausgestellt und diese alte Gilde der Flensburger Schiffer ausführlich beschrieben.
1980 gelang es dem Schiffergelag, von der Stadt den ausgebauten Anbau des Kompagnietors als neuen Gelagssitz zu mieten und somit in unmittelbare Nähe seiner ursprünglichen Heimat zurückzukehren.
Dieses liebevoll eingerichtete Domizil musste 1997 wieder verlassen werden, da das Kompagnietor von der Stadt an
das neu gegründete Minderheiten Zentrum vergeben wurde. Seit dem Sommer 1997 befindet sich der neue Gelagssitz im Gebäude Schiffbrücke 40, in direkter Nachbarschaft mit dem
Schifffahrtsmuseum, der Museumswerft und dem Verein Museumshafen. Seit 2015 befindet sich der Sitz des Gelags im Gebäude Schiffbrücke 37.
Mit Datum vom 7. Mai 2012 bewahren im Schiffergelag 41 Gelagsbrüder (Nautiker, die ein Handelsschiff über See geführt haben oder im Besitz des Kapitänspatentes sind und eine dem Kapitän gleichzuachtende Stelle an Land innehaben), 53 Mitglieder (der Seefahrtstradition verbundene Personen mit Bezug zu Flensburg), 15 Gelagsdamen und Witwen und 21 fördernde Mitglieder, das sind Institutionen, Verein oder Personen, die mit einem geringen Beitrag das Fortbestehen des Flensburger Schiffergelags unterstützen möchten, die alten Traditionen, z. B. wird immer noch die "Pfennigkasse", die 1861 ins Leben gerufene "Stiftung zur Unterstützung bedürftiger Seeleute und deren Hinterlassenen", verwaltet und die Zinserträge zu Weihnachten an bedürftige Menschen aus Seefahrerkreisen verteilt.
Die Männer und Frauen des Gelags arbeiten eng mit dem Schifffahrtsmuseum zusammen, halten Vorträge, engagieren sich bei maritimen Ereignissen unserer Heimatstadt. Zahlreiche interne Veranstaltungen geselliger Art finden im Laufe des Jahres statt.
Das Schiffergelag ist korporatives Mitglied des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere und vertritt dort die Interessen seiner fahrenden Gelagsbrüder.
Getreu der Satzung werden die überlieferten oder zur Tradition gewordenen „Erheiterungen“ sowie die Erhaltung der Vermächtnisse und des überlieferten Brauchtums des Flensburger Schiffergelags, der Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen den Kapitänen der alten und der nachwachsenden Generation, die Geselligkeit nach altüberlieferter Art und Weise, die Erhaltung der über 200 Jahre alten „Schiffertänze“ des Gelags gepflegt.
Das Schiffergelag hat sich zur Aufgabe gesetzt, diese einmalige Gilde, deren Geschichte mit der Entwicklung der Hafenstadt Flensburg unteilbar verbunden ist, als ein Stück alter, aber lebendiger Flensburger Seefahrer- und Stadtgeschichte und -kultur nicht nur für die heutige, sondern auch für zukünftige Generationen am Leben zu erhalten, getreu den Versen des Dichters J.Fr. Dusenberg aus dem Jahre 1854:
So möge denn bis in die fernsten Zeiten noch blühen dies Gelag
und jeden Seemann Gott geleiten in Sturm und Ungemach.
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von Kapitän Werner de VriesV und Kapitän Wolfgang PreyV